Einleitung
Edith Stein, Sr. Teresia Benedicta vom Kreuz, wie
sie mit Ordensnamen heißt, wurde am 12. Oktober 1891 als Jüdin
in Breslau geboren und wurde als Angehörige des jüdischen
Volkes am 9. August 1942 in Auschwitz-Birkenau ermordet. Sie ist
eine der großen jüdisch-christlichen Frauengestalten
dieses Jahrhunderts. Sie ist Philosophin und Pädagogin, Frauenrechtlerin,
Mystikerin und Ordensfrau. In all ihrer Vielseitigkeit bleibt sie
immer eine Tochter des jüdischen Volkes. Als solche ging sie
den Weg nach Auschwitz mit ihrem Volk, als Christin ging sie für
ihr Volk.
Papst Johannes Paul II hat Edith Stein am 11. Oktober 1998 heilig
gesprochen.
Kyrie-Rufe
Herr Jesus Christus,
Edith Stein ist wie du und deine Mutter Kind des jüdischen
Volkes: Herr, erbarme dich.
Du hast sie in deine Nachfolge gerufen: Christus, erbarme dich.
Für und mit ihrem Volk hat sie Leid und Tod als Kreuzesnachfolge
auf sich genommen: Herr, erbarme dich.
Tagesgebet
Gott unserer Väter und Mütter im Alten
Bund, unser Vater, Du hast Edith Stein aus deinem Volk zum Glauben
an Jesus Christus, den Erlöser aller Menschen, geführt.
Sei allen nahe, die sich zu dir bekennen, damit sie mit gläubigem
Herzen vor dir leben und in dir das Heil finden. Darum bitten wir
durch Jesus Christus.
Lesung aus dem Buch Ester (Esther 4,17k und 17,l-m)
Evangelium nach Johannes (Joh 15, 9-16a)
Predigtgedanken
1. Immer wieder hören wir von Frauen, die in
extremen Situationen über sich hinausgewachsen sind und nahezu
unmögliches vollbringen.
2. Von einer solchen biblischen Frau spricht das
Buch Esther, in dem es um die Abwendung einer drohenden Judenverfolgung
im Perserreich geht. Haman, der zweite Mann es Reiches, hasst die
Juden und erwirkt einen Erlass vom König Artaxerxes, die Juden
auszurotten. Unter Lebensgefahr geht Ester zum König, um für
ihr Volk zu bitten. (Das Gebet der Ester, das in der Lesung vorgetragen
wurde, spricht davon.)
Sie erlangte das Wohlwollen des Königs und erreichte den Sturz
Hamans. Der Erlass, der die Ausrottung befahl, wurde aufgehoben.
In einem neuen Erlass erlaubt der König den Juden, sich ihrer
Feinde zu wehren.
3. Edith Stein fühlt sich in besonderer Weise
Ester verbunden. "Ich muss immer wieder an die Königin
Esther denken, die gerade darum aus ihrem Volk genommen wurde, um
für das Volk vor dem König zu stehen", schreibt sie
1938 an ihre Schwester, angesichts der immer stärker werdenden
Judenverfolgung im Deutschen Reich.
4. Edith Stein identifiziert sich mit der Gestalt
Esters und sieht darin ihren eigenen Auftrag vorgezeichnet.
Wie die biblische Ester durch ihr unerschrockenes Eintreten für
ihr Volk vor dem mächtigen Perserkönig die Gefahr abwenden
konnte, so möchte sie, die "wiederkehrende Ester",
durch ihr solidarisches Eintreten vor dem barmherzigen König
Christus Rettung für ihr Volk erwirken.
"Ich bin eine sehr arme und ohnmächtige kleine Ester,
aber der König, der mich erwählt hat, ist unendlich groß
und barmherzig." (aus dem Brief an ihre Schwester 1938)
5. Ihr solidarisches Eintreten zeigt sich aber auch
im konkreten Eintreten für ihr Volk. Engagiert und mutig tritt
sie antisemitischen Äußerungen entgegen, ohne Rücksicht
auf ihre eigene Person.
1933 hat sie den Plan gefasst nach Rom zu fahren, um in einer Privataudienz
den Papst um eine Enzyklika zur Judenverfolgung zu bitten. Ihr Anliegen
hat sie Papst Pius XI dann brieflich unterbreitet.
Gegen das erschreckende Zerrbild, das die Nationalsozialisten von
jüdischen Menschen zeichneten, setzte sie mit ihrer Autobiographie
"Aus dem Leben einer jüdischen Familie" ein Zeugnis
gegen den damaligen Rassenhass.
6. Edith Stein ist und bleibt Tochter des jüdischen,
"ihres" Volkes. Gerade in den schweren Zeiten der Verfolgung
bleibt sie ihm treu und tut Menschen mögliches für ihr
Volk.
7. Edith Stein, die aus einem jüdisch liberalen
Elternhaus stammte und sich als Jugendliche selbst "Atheistin"
nannte, hat durch die Hinwendung zum Christentum zu ihren jüdischen
Wurzeln zurückgefunden. Es ist ihr ein Anliegen, dass auch
andere aus ihrem jüdischen Volk den Weg zu Christus finden.
Sie bittet Gott, er möge ihr Leben und Sterben annehmen für
ihr Volk. Sie selbst machte sich auf den Weg nach Auschwitz mit
den Worten: "Komm, wir gehen für unser Volk."
8. Papst Johannes Paul II spricht (hat gesprochen)
Edith Stein heilig. Neben der Verehrung die ihr nun "offiziell"
zusteht, wird sie uns dadurch auch als besonderes Vorbild vor Augen
gestellt.
Ihr vorbildhaftes Leben stellt an uns heute die Frage:
Wo wird heute von mir als Christin oder Christ,
als Angehörige oder Angehöriger eines Volkes Solidarität
gefordert?
Wo erleben wir heute Ungerechtigkeiten und Hass
gegenüber Schwestern und Brüder, die von uns konkretes
Eintreten für Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit erfordern?
9. Mit diesen Fragen und einem kurzen Gespräch
in Kleingruppen könnte die Predigt enden.
10. Aus dem Gespräch heraus könnten Fürbitten
formuliert werden.
Meditation (nach der Kommunion)
Herr, ohne Kraft, die du mir leihst,
kann ich nicht einen Schritt gehen.
Warum glaube ich nicht?
Warum schenk' ich dir kein Vertrauen?
Warum nehme ich dich nicht an,
der du mir näher bist
als ich mir selbst?
Ich scheue zurück vor dem Dunkel,
ich fürchte mich vor dem Weg,
der sich in der Nacht verliert.
Warum danke ich nicht für die
kleinen Lichter,
die Strahlen der Hoffnung?
Warum gehe ich nicht auf dich zu?
Herr, gib mir Weisheit,
die alles annimmt,
und das Gute behält.
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